Da sind wir wieder. Allerdings noch im Dezember 2018. Wir können es nicht lassen und müssen uns einfach bewegen.
Das neues Jahr, neue Abenteuer und Erlebnisse stehen quasi vor der Tür. Mir kam der Gedanke, das man die gemeinsamen Jahre auch mit Anekdoten, erlebtem und wahrgemachten Träumen mal für das Alter festhalten sollte. Dadurch, das wir an den Wochenenden nicht nur zu Hause sitzen sondern was unternehmen, erleben wir viel. Auch viele Abenteuer. Die einen oder anderen Abenteuer sind erst im Nachgang schön. Wenn man mitten drin ist und das erlebt hält sich die Begeisterung in Grenzen. So wie die eine Schneeschuhwanderung. Jetzt, viele Monde später und nach einer anderen, wunderbaren Wanderung, lachen wir herzlich darüber. Aber jetzt erstmal von Anfang an.
Unsere erste Wanderung nach der Auszeit beginnt mit einer Tagestour im Allgäu und „Krallen unter den Füßen“ (heißt soviel wie Schneeschuhe an den Füßen).
Da ich mir nicht wieder Schneeschuhe leihen möchte habe ich nach ein paar Recherchen Schneeschuhe gekauft. Meine ersten eigenen Schneeschuhe. Das hätte ich mir im Leben auch nicht träumen lassen, dass ich sowas mal besitze. Wo sollte ich diese im flachen Land auch nutzen?
Der Tag beginnt früh. Der Wecker klingelt um 5:30 Uhr. Fix die Zähne geputzt, Kaffee in den Thermobecher und los. Rucksäcke, Schuhe und Verpflegung sind gestern schon verpackt worden.
Das Klingeln an der Tür verrät, das Babs auch eingetroffen ist. Sie kommt heute mit zu der Tagestour. Mit Kerstin, die gute Freundin von Micha, mit der wir Silvester 2017/18 verbrachten, treffen wir uns im Allgäu auf dem Parkplatz, von wo die Wanderung los gehen soll. Otto, der treue Gefährte, ist vorgewärmt, die Straßen sind frei und die Fahrt vergeht im Flug.
Mal keinen Stau auf der A8, A7 und an dem Grenzübergang hält es sich auch in Grenzen. Sehr schön. So kann das bleiben. Und es schneit. Wir fahren in einer Winterwunderlandschaft zu unserem Treffpunkt.
Angekommen am Parkplatz ist Kerstin noch nicht da. Na gut, wir sind auch zu früh. Also Standheizung an und auf Kerstin warten. Blöd wenn man dann pullern muss und weit und breit keine Möglichkeit, zivil pullern zu gehen. Also den Hintern einmal in die freie Natur. Uhhh… etwas frisch…
So langsam wird es später und später. Keine Kerstin. Die WhatsApp bleiben unbeantwortet, kein Anruf möglich. Was ist da los? Nach einer Stunde machen wir uns Sorgen. Wir erreichen sie aber nicht. Also weiter warten. Dann endlich biegt der Skoda auf den Parkplatz. Erleichterung bei uns im Auto.
Kerstin hat jeden Stau von Augsburg bis hier mit genommen. Aufgrund des einsetzenden Schneefall waren viele Unfälle gepaart mit Straßensperrungen. Schön das sie gesund und heile da ist.
Jetzt aber los. Die Rucksäcke mit leichtem Gepäck auf, Schneeschuhe an die Füße und schon stapfen wir los.
Der Himmel hat sich mittlerweile ein wenig zugezogen und ist grau, gelegentlich fallen Flocken vom Himmel. Der Weg ist schön. Ein Bewirtungsweg windet sich langsam nach oben zu der Alpe Buchelalpe 1.290m Unterjoch/Allgäu. Da wollen wir als Erstes hin. Von dort wollen wir dann zu dem Gipfel, wieder zurück und in der Hütte einkehren um zu essen. So der Plan.
Der Wind frischt auf. Auf einmal sehen wir etwas auf uns zuschießen. Rodler! Ach, wie cool muss das sein. Schade, das wir keinen Schlitten haben. Da hätte ich jetzt richtig Lust zu. Vielleicht sollte ich beim nächsten Mal einen faltbaren Schlitten am Rucksack befestigen… oder eine stabile Tüte mitnehmen… rutscht bestimmt auch gut…. mhhhh… während ich so vor mich hin träume höre ich nur „Achtung, Skifahrer“ Wow. Mit voll Speed an uns vorbei. Die haben Spaß. Na ja, auch die mussten erst Mal hier hoch um dann den Spaß runter zu haben.
Irgendwann öffnet sich der Weg zu einer freien Fläche und wir sehen die Hütte. Ein paar Höhenmeter über uns. Entweder wir gehen jetzt den großen Bogen auf dem Weg oder wir gehen Querfeldein, die steilere aber kürzere Variante. Wir haben ja schließlich Schneeschuhe an, also die steile Variante. So arbeiten wir uns Stück für Stück den Berg hoch. Babs hat mit Ihren Schneeschuhen zu kämpfen. Wir anderen Drei haben Schneeschuhe mit relativ großen Krallen und Steighilfe. So kommen wir besser voran und rutschen nicht so oft nach hinten weg. Puhh…. vielleicht hätte ich die letzte Tüte Gummifutzis nicht essen sollen. Das rächt sich jetzt. Na gut, es könnte auch an der mangelnden Kondition liegen. Trial und Motorrad fahren stärken nicht unbedingt die Muskeln und fördern die Ausdauer. Puhhh… Schritt für Schritt kämpfen wir uns den Berg hoch. Hach, wat schön wenn man ankommt.
Der Wind ist noch stärker geworden, Nebelschwaden ziehen an uns vorbei. Was für ein Naturschauspiel. Ich bin einfach fasziniert, wie der Nebel einen einhüllt und die anderen Menschen „verschluckt“. Getrieben durch den Wind geht er dann seiner Wege.
Trotz des Wetters beschließen wir den Gipfel in Angriff zu nehmen. Wäre ja gelacht…. Der Weg geht relativ steil hoch. Keine Bäume am Wegesrand und der Wind weht uns eiskalt direkt in das Gesicht. Da hat man keine Falten mehr, das ist besser als jede Gesichtsmaske.
Bäume tauchen am Wegesrand auf und wir können kurz verschnaufen, weil der Wind hier durch die Bäume gebrochen wird. Dann geht es wieder auf freie Fläche. Wahnsinn. Der Schnee wirbelt um uns herum, Spuren von andere Schneeschuhwanderern werden verweht, der Weg ist schwer zu erkennen. Endlich haben wir die Freifläche geschafft. Jetzt geht es am Rand des Waldes steil den Hang hoch. Stück für Stück.
Babs fällt weiter zurück. Die Schuhe machen ihr arg zu schaffen. Zwischen großen Fichten geht es Richtung Gipfel. Sind nur noch 10 min… den Spruch haben wir jetzt zum 3x von Kerstin gehört. Das ist unser running Gag und motiviert unheimlich… zum lachen…
Endlich, einmal noch das Bein hoch und wir stehen wieder auf dem Bewirtungsweg. Einmal durchschnaufen und was trinken. Der Nebel ist hier oben noch stärker. Wir können aber noch was sehen. Und ich sehe einen Fleck im Schnee, der unbedingt verschönert werden muss. Schneeengelalarm! Und Schwups liegt die Meyer auf dem Rücken, wedelt wild mit Armen und Beinen… ächzend und stöhnend kommt sie langsam hoch und da ist er:
Jetzt ist es um uns geschehen. Wir stehen da auf dem Weg und lachen alle herzlich. Wie gut es uns geht! Trotz Kälte, Wind und Nebel.
Frischen Mutes wollen wir jetzt den Rest in Angriff nehmen. Der Weg ist immer weniger zu erkennen. Wir sehen eine Pforte und gehen hindurch. 200 m weiter sehen wir aus dem Nebel einen Tourengeher auftauchen und wieder in der Nebelwand verschwinden. Hier oben ist der Nebel noch wesentlich stärker.
Kehrt Marsch. Das Risiko, das wir uns verlaufen wollen wir nicht eingehen. Der Tourengeher ist sicherlich ein Einheimischer, der die Gegend wie aus seiner Westentasche kennt. Wir sind Ortsfremd. Die Vernunft siegt und der Gedanke an einen warmen Tee bestärkt die Entscheidung noch.
Wir bahnen uns den Weg wieder hinunter. Das, was wir uns mühsam in gefühlten Stunden erarbeitet haben, haben wir in wenigen Minuten bewältigt.
Noch einmal um die Kurve, eine ordentliche Windböe mit eiskalten Wind „genießen“ und da ist die Hütte.
Den Gedanken an warme Getränke hatten natürlich auch Andere. Wir haben Glück und bekommen einen Tisch.
Gestärkt, aufgetaut und guter Laune geht es den Berg hinab.
Der Wind ist hier nicht mehr so stark, der Nebel ist verschwunden. Was würde ich jetzt für eine Tüte zum rutschen geben. Ein Schlitten wäre auch Klasse, aber man will ja nicht unverschämt werden 😉
Immer wieder rauschen Rodler und Skifahrer an uns vorbei. Eine Familie hat besonders viel Spaß. Die Kinder lachen und quieken. Es ist wie in einem romantischen Kitschfilm. Die Kinder werden sich später gerne zurück erinnern, was Ihre Eltern mit Ihnen unternommen haben.
Ich denke an meine Eltern und meinen Bruder. Sie haben mir erzählt, wie wir in Worpswede auf dem „Weyher Berg“ mit sage und schreibe 54m Höhenmetern Schlitten fahren waren. Und nicht zu vergessen der Park an der Lesum (Fluß), der auch eine leichte Hanglage hat. Leider fließt die Lesum direkt am Fuße des Hang. Mein Bruder hatte wohl soviel Schwung, dass er die Piste bis zum Ende und darüber hinaus rodelte… und auf dem zugefrorenen Fluß stoppte.
Aber alles ging gut. Meine Mutter ist in dem Moment wahrscheinlich „tausend Tode gestorben“. An all diese Erzählungen von meiner Familie erinnere ich mich. Wie schön, wenn man das erlebt hat und wohlbehütet aufgewachsen ist.
Am Parkplatz angekommen klart der Himmel ein wenig auf. Den Wind haben wir auch hinter uns gelassen. Einmal eine dicke Umarmung und jeder fährt wieder gen Heimat. Es ist das letzte Mal für dieses Jahr, das wir wandern. Aber das Jahr 2019 steht vor der Tür und da werden wir auch wieder los laufen. Das nehmen wir uns fest vor.